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„SilverLiner“ geben den Takt an

02 Juli 2007 [08:07h]    





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„Schauen Sie mich an“, sagt der 53-jährige Jürgen Nölte, lacht und deutet auf seine grauen Haare. Er ist Fertigungsgruppenleiter und leitet zwei Gruppen mit je einem Dutzend Mitarbeiter.

Unter ihnen sind etwa die Hälfte „SilverLiner“: Audi Mitarbeiter über 40 Jahre, die gezielt die ansonsten sehr junge Mannschaft in der R8-Montage ergänzen.
„Man hat bei dem Namen SilverLine natürlich auch an silbriges Haar gedacht“, meint Dr. Horst Mann, Leiter des Gesundheitsdienstes Neckarsulm und einer der „Treiber“ des Personalprojekts in der R8-Fertigung. Audi Personalvorstand Dr. Werner Widuckel, auf dessen Anregung dieses Pilotprojekt initiiert wurde: „In 5 Jahren wird sich das Alter der Audi Mitarbeiter um 5 Jahre auf durchschnittlich 45 Jahre erhöhen. Darauf müssen wir schon heute reagieren, um die Beschäftigungsfähigkeit unserer Mitarbeiter und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Denn der Erfolg von Audi ist der Erfolg unserer Mitarbeiter; sie sind unser größtes Kapital.“

Was ist besonders an der R8 Fertigung?
Ein Arbeitstakt in der R8 Montage dauert um ein Vielfaches länger als ein Arbeitstakt in der Großserienfertigung, wie beim A6 beispielsweise. Die langen Taktzeiten, erzählt der Mediziner, böten die Möglichkeit zu sehr vielfältigen Bewegungsabläufen. Und das wiederum sei das genaue Gegenteil zur Fertigung in kurzen Arbeitstakten, wo oft mehrere hundert Male täglich der gleiche Handgriff ausgeführt werden müsse.

Jürgen Nölte ist seit 1969 bei Audi, kommt aus der A6-Fertigung und weiß aus eigener Erfahrung, dass man pro Schicht 250 bis 300 Mal die gleichen Bewegungen macht – eben bei jedem Fahrzeug, das in dieser Schicht produziert wird. Beim R8 geht es um etwa zehn Autos pro Schicht.

„Das ist gut gegen einseitige Belastung – aber dafür müssen die Leute hier bis zu 50 Teile einbauen und nicht zwei oder drei“, gibt Nölte zu bedenken. 50 verschiedene Teile, die auf einem fahrbaren Gestell, dem so genannten Warenkorb sauber sortiert liegen. Ein paar Meter von der Montagelinie entfernt steht der Nachschub – dieser Bereich heißt im Produktionerdeutsch „Supermarkt“, weil sich die Mitarbeiter aus den vollen Teileregalen bedienen und ihren Warenkorb füllen können. Allerdings entscheidet hier nicht der persönliche Geschmack über die Auswahl, sondern der Montageablauf.

Und der ist von großer Ruhe geprägt. Hektische Bewegungen findet man hier ebenso wenig wie Maschinenlärm oder Geschrei. Die Karosserien hängen in höhenverstellbaren Gestellen, die sich jede Dreiviertel Stunde ein paar Meter weiter bewegen. Ob der halbfertige R8 nun knietief oder in Kopfhöhe schwebt, hängt davon ab, ob gerade Scheibenwischer oder Bremsen montiert werden: „Die Arbeit soll in möglichst natürlicher Haltung ablaufen können“, erklärt Dr. Ulrich Eritt, der bei der quattro GmbH die Produktion des R8 verantwortet. Er spricht mit großem Respekt von der Leistung der Mitarbeiter.

„Hier ist fast alles Handarbeit, und das fängt schon beim Karosseriebau an, wo die verschiedenen Aluminiumteile mit etwa 100 Metern Schweißnaht von Hand verbunden werden.“ Was aussieht wie ein komplizierter Schnittmusterbogen aus einer Nähzeitschrift, ist ein Übersichtsplan, auf dem jede einzelne Schweißnaht mit definierten Anfangs- und Endpunkten eingezeichnet ist. Höchste Präzision ist hier gefordert – und große Ausdauer.

Bewusst personalpolitisch in die Altersstruktur der Mannschaft in der R8 Montage einzuwirken, war nur durch das Zusammenspiel aller beteiligten Geschäftsbereiche möglich. Der Betriebsratsvorsitzende in Neckarsulm, Norbert Rank, hat sich eingehend mit der SilverLine beschäftigt und das Projekt unterstützt: „Lebensbegleitendes Lernen ist bei Audi keine leere Worthülse. Die über lange Jahre gewonnenen Erfahrungen und Qualifikationen bringen unsere Kolleginnen und Kollegen im Projekt SilverLine überaus positiv zum Einsatz“.

Thomas Helter (46) arbeitet seit 21 Jahren bei Audi am Band und hat sich aktiv für die R8-Fertigung beworben: „Ich hab’ mir gesagt, du machst jetzt so lange schon das Gleiche, du brauchst eine Herausforderung“. Heute montiert er Ölkühler, Sicherheitsgurte und Cockpitmodule am ersten Mittelmotorsportwagen von Audi. Für Helter ist es aufregend, beim Neuanlauf eines so außergewöhnlichen Autos mit dabei zu sein. Er findet: „Jetzt beim R8, da wirst du zu Hause schon anders angeguckt als beim A6“.

Auch wenn in der Produktionshalle alles sehr ruhig zugeht: Hier wird genauso hart gearbeitet wie in jeder anderen Montagelinie bei Audi. Jürgen Nölte erzählt: „Ein paar Leute, junge wie ältere, wollten wieder zurück in die normale Montage. Für sie war’s ein richtiger Stress, die 40 bis 50 Teile in eigener Verantwortung nach einer festen Reihenfolge einzubauen, und das mit bis zu zwölf Werkzeugen.“ Kurze Arbeitstakte wie in der Großserienfertigung geben den Arbeitsrhythmus von außen vor. Lange Takte erfordern die Fähigkeit, das eigene Arbeitstempo genau einzuschätzen. Außerdem, sagt Nölte, nicht das Alter sei für eine erfolgreiche Arbeit in der R8-Manufaktur entscheidend, sondern ein paar Jahre Band- und Werkzeugerfahrung, dazu noch ein gewisses Maß an Besonnenheit.

Fernando Pereira (48) bringt beides mit, auch wenn er noch kein einziges graues Haar hat. Der gebürtige Portugiese arbeitete zuerst bei Porsche und ist jetzt seit zehn Jahren bei Audi beschäftigt. Er ist vom Personalwesen angesprochen worden, ob er nicht in die SilverLine-Fertigung kommen wollte – und war sofort einverstanden. Heute montiert er unter anderem Mittelkonsole, Seitenverkleidung und Radio in der R8-Manufaktur. Und er ist sichtlich stolz darauf: „Nicht jeder kommt zum R8 – ein wirklich schönes Auto! Und für mich ist es keine Schwierigkeit, mehrere Teile zu montieren. Man darf nur nicht hektisch dabei werden.“






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