SBB-Chef Andreas Meyer hat gestern Nachmittag die Bundeshausfraktionen persönlich über die Entscheide zu SBB Cargo orientiert und sich den Fragen der Parlamentarier gestellt.
«Es waren offene konstruktive Gespräche», sagte Meyer. Das grosse Interesse an SBB Cargo sei Ausdruck einer grossen Verbundenheit mit der SBB und «eine grosse Chance für SBB Cargo und für den Schienengüterverkehr in der Schweiz». Über die Entwicklung im Tessin zeigte sich der SBB-Chef besorgt.
SBB-Chef Andreas Meyer präsentierte gestern vor den Bundeshausfraktionen die Situation von SBB Cargo und die Entscheidungen des Verwaltungsrates vom vergangenen Donnerstag:
- SBB Cargo steigerte im zurückliegenden Geschäftsjahr die Transportleistung um 8,3% auf 13,37 Mia. Tonnenkilometer. Gleichzeitig schrieb die Gütersparte der SBB 2007 trotz guter Konjunkturlage und positiven Währungseffekten einen operativen Verlust von CHF -87,9 Mio. Hinzu kommen Rückstellungen für die Restrukturierung und Repositionierung von SBB Cargo von insgesamt CHF 102,5 Mio. Insgesamt schrieb SBB Cargo 2007 einen Verlust von CHF -190,4 Mio.
- Der Verwaltungsrat der SBB verabschiedete vergangene Woche ein Massnahmenpaket für SBB Cargo und rechnet dabei mittelfristig mit Ergebnisverbesserungen von CHF 70 Mio. jährlich. Insgesamt werden 401 Stellen abgebaut, der Grossteil davon im sogenannten „Overhead“. Zudem werden bei der Instandhaltung Synergien künftig besser ausgeschöpft und die Ressourcen besser genutzt durch die Konzentration auf weniger Standorte. Die schwere Instandhaltung der Lokomotiven für die gesamte SBB wird vom Personenverkehr geführt und in Yverdon konzentriert. Die Instandhaltung der Güterwagen wird in Bellinzona fokussiert und im Rahmen eines Joint Venture mit Privatunternehmen weiter entwickelt und ausgebaut.
- Mitarbeitende, die im Zusammenhang mit diesen Massnahmen die Stelle verlieren, bleiben weiterhin zum bisherigen Lohn bei der SBB angestellt und werden unter anderem mit dem Programm Neuorientierung und Arbeit NOA bei der beruflichen Neuorientierung aktiv unterstützt.
- Die Strategie von SBB Cargo wird weiter überprüft und weiterentwickelt. Der Schweizer Markt ist für die SBB von zentraler Bedeutung. Die SBB ist auf diesem Markt überaus stark verankert. Diese Chance will die SBB weiter nutzen. Im internationalen Verkehr hat sich die grenzüberschreitende Produktion aus einer Hand von SBB Cargo auf der Nord-Süd-Achse bewährt und soll weiter entwickelt werden. Im zunehmend sich konsolidierenden europäischen Schienengüterverkehrsmarkt ist SBB Cargo auf die Zusammenarbeit mit Partnern oder Gruppierungen mehrerer Partnerbahnen angewiesen, um langfristig im Markt zu bestehen. SBB Cargo ist eine attraktive Kooperationspartnerin. Es ist die unternehmerische Aufgabe der SBB, die verschiedenen Angebote in Ruhe zu prüfen. Die SBB wird diese Angebote danach beurteilen, ob sie einen nachhaltigen Beitrag zur strategischen Positionierung leisten, ob Geschäftsrisiken in nennenswertem Umfang mitgetragen werden und ob Beiträge zur Optimierung des Geschäftsergebnisses geleistet werden. Denkbar sind Kooperationen auch ohne Teilverkauf. Ein Totalverkauf steht nicht zur Diskussion.
In der Diskussion beantwortete SBB-Chef Andreas Meyer die Fragen der Fraktionsmitglieder. Meyer sprach im Anschluss daran von „offenen konstruktiven Gesprächen“. Er bedankte sich bei den Parlamentariern für das grosse Interesse an der SBB. Dieses sei – so Meyer – «eine grosse Chance für SBB Cargo und für den Schienengüterverkehr in der Schweiz». Über die Entwicklung im Tessin zeigte sich Andreas Meyer besorgt. «Es braucht jetzt auf allen Seiten besonnene Köpfe, damit kein nachhaltiger Schaden entsteht.»
In den Gesprächen warnte der SBB-Chef davor, die Chance der für Bellinzona mit grossem Aufwand in die Wege geleiteten Zusammenarbeit mit privaten Partnern zu verkennen; sollten diese privaten Partner aufgrund des Widerstandes in Bellinzona ihr Interesse an einer solchen Lösung aufgeben, wäre dies für das Projekt, für Standortgemeinde und -kanton und für die SBB ein – so Meyer – «schwerer Rückschlag». Zudem sieht sich die SBB aufgrund des aktuellen Streiks in Bellinzona gezwungen, den schweren Unterhalt der Lokomotiven anderweitig zu organisieren. Im Falle einer längeren Arbeitsniederlegung in Bellinzona dürfte eine Rückverlagerung schwierig werden. Meyer wies auch auf die im GAV geregelten Bestimmungen zur beruflichen Neuorientierung hin: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre Stelle aufgrund eines Reorganisations- und Rationalisierungsprojekt verlieren, treten in die für die berufliche Neuorientierung geschaffene SBB-interne Organisationseinheit über. Ziel ist es, dass die Betroffenen wieder eine Stelle bei der SBB antreten oder eine neue Tätigkeit ausserhalb der SBB aufnehmen. Während dieser Zeit erhalten die Mitarbeitenden den vollen bisherigen Lohn. «Es gibt keine Entlassungen. Für die Mitarbeitenden ist auch in dieser schwierigen Situation gesorgt», sagte Meyer.
Der SBB sei daran gelegen, dass sich die Situation in Bellinzona möglichst schnell beruhige und normalisiere, sagte Meyer: «Das Unternehmen und unsere Kunden sind darauf angewiesen, dass die Aufträge so bald als möglich wieder zuverlässig im IW Bellinzona erledigt werden.»