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Elektromobilität: „Bund hat Hausaufgaben noch nicht gemacht“

09 Aug 2012 [13:56h]    

Elektromobilität: „Bund hat Hausaufgaben noch nicht gemacht“

Elektromobilität: „Bund hat Hausaufgaben noch nicht gemacht“





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Deutschland bei Bahn-Elektrifizierung nur Mittelmaß

Berlin – In der Debatte um den Ausbau der Elektromobilität gibt es Handlungsbedarf bei der Elektrifizierung des deutschen Schienennetzes. Das geht aus einem EU-Ranking über den Elektrifizierungsgrad der Bahnnetze verschiedener europäischer Länder hervor, das die Allianz pro Schiene auf der Basis aktueller EU-Daten herleitet. Danach war das Bundesschienennetz Ende 2010 erst zu 58,8 Prozent elektrifiziert, während der Spitzenreiter Schweiz einen Elektrifizierungsgrad von 99,3 Prozent vorweisen konnte. Damit liegt Deutschland zwar leicht über dem EU-Durchschnitt von 52,3 Prozent, aber hinter wichtigen Ländern Kerneuropas wie den Niederlanden, Italien, Österreich, Spanien und sogar Polen.

„Während wir in Deutschland darüber debattieren, ob wir die Autobahnen mit einer Oberleitung überziehen, um dem Elektro-Lkw krampfhaft auf die Spur zu helfen, hat die Bundesregierung beim Schienennetz etliche Hausaufgaben noch nicht gemacht“, kritisierte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, am  Donnerstag in Berlin. Er warnte die Politik davor, das Thema Elektromobilität weiterhin auf den Straßenverkehr zu verkürzen und forderte den Bund auf, sich bei der Elektrifizierung des deutschen Bahnnetzes ein Ziel zu setzen. „Wir denken, dass ein Elektrifizierungsgrad von mindestens 70 Prozent bis 2020 beim Bundesschienennetz sachgerecht wäre“, sagte Flege und wies darauf hin, dass diese Investitionen sowohl der Umweltverträglichkeit als auch der Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs zugute kämen.

„Eine Energiewende ist ohne Verkehrswende nicht möglich“, sagte Flege. Mit dem Ziel der Bundesregierung, bis 2020 rund eine Millionen-Elektroautos auf deutschen Straßen fahren zu lassen, werde eine solche Wende nicht zu erreichen sein, sagte Flege. Trotz massiver steuerlicher Subventionen für die Autoproduzenten seien bis Ende 2011 lediglich 4150 Elektro-Autos in Deutschland unterwegs gewesen, während auf der Schiene bereits 90 Prozent der Verkehrsleistung elektrisch vollbracht würden. „Alles spricht für einen weiteren Ausbau der Elektromobilität auf der Schiene. Trotzdem werden wichtige Schienen-Elektrifizierungsprojekte wegen Geldmangel immer wieder auf die lange Bank geschoben“, sagte Flege. Als Beispiele nannte er die Strecke von Hof bis Regensburg auf der Ostachse, den Ausbau der Strecke Chemnitz – Leipzig oder die international wichtige Verbindung Dresden – Görlitz.

Fragen und Antworten zum Elektrifizierungsziel

1. Setzt ein Ziel für die Elektrifizierung des Schienennetzes nicht falsche Anreize und befördert die Stilllegung von Diesel-Strecken?

Das Ziel von 70 Prozent Elektrifizierung bis 2020 bezieht sich auf die Strecken des Bundesschienennetzes. Es ist ein politisches Ziel, das sich die Bundesregierung setzen sollte, um die Elektromobilität in Deutschland voran zu bringen. Es geht darum, den prozentualen Anteil elektrifizierter Strecken dadurch zu steigern, dass zusätzliche Strecken elektrifiziert werden – nicht indem Diesel-Strecken außer Betrieb genommen werden. Eine forcierte Elektrifizierung würde den Schienenverkehr insgesamt attraktiver machen und zu einer steigenden Nachfrage führen – davon würden auch die verbleibenden Diesel-Strecken profitieren.


2. Was sagt der Anteil der elektrifizierten Strecken über die Streckenqualität aus?

Der Anteil elektrifizierter Strecken ist als solcher kein Qualitätsindikator für den Zustand des Schienennetzes. Investitionen in die Elektrifizierung verbessern aber die gute Umweltbilanz des Schienenverkehrs noch weiter und stärken die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber anderen Verkehrsträgern. Zum Vergleich: Eine Diesellok stößt im Güterverkehr im Schnitt pro Tonnenkilometer 1,5 Mal mehr CO2 aus als eine E-Lok, im Schienenpersonennahverkehr liegt der Faktor bei etwa 1,2 pro Personenkilometer.

3. Befördert ein Elektrifizierungsziel nicht die Verschwendung von Steuergeldern, weil auch wenig befahrene Nebenstrecken elektrifiziert werden könnten?

Eine Zielsetzung muss von der Auswahl konkreter Projekte begleitet werden, mit denen das Ziel erreicht werden soll. Jedes Elektrifizierungsprojekt wird schon heute auf seine Sinnhaftigkeit geprüft, und Projekte mit einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis werden nicht realisiert. An diesem sinnvollen Vorgehen würde auch ein Elektrifizierungsziel nichts ändern. Eine Verschwendung von Steuergeldern ist auch deshalb ausgeschlossen, weil der Bedarf die derzeit zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem übertrifft. So werden bislang viele notwendige Elektrifizierungsprojekte aus Geldmangel auf die lange Bank geschoben, z.B. Hof – Regensburg, München – Mühldorf, Chemnitz – Leipzig oder die international wichtige Verbindung Dresden – Görlitz.

4. Warum sollen gerade 70 Prozent der Bundesschienenwege bis 2020 elektrifiziert werden?

Von 2005 bis 2010 ist der Anteil der elektrifizierten Strecken im Bundesschienennetz um ca. 0,4 Prozent pro Jahr gestiegen. Die Länge der elektrifizierten Strecken wuchs im gleichen Zeitraum von 19.350 km auf 19.819 km. Ende des Jahres 2010 waren 58,8 Prozent der Strecken des Bundesschienennetzes elektrifiziert. Eine Steigerung auf 70 Prozent im Jahr 2020 würde etwa einer Verdreifachung der derzeitigen jährlichen Ausbaugeschwindigkeit entsprechen. Dieses ambitionierte, aber realistische Ziel ist in Anbetracht der angestrebten Energiewende in Deutschland mehr als angemessen. Denn ohne Verkehrswende wird es eine Energiewende nicht geben.

 

Foto: Edgar Delmonte






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