Der Aufsichtsratsvorsitzende des VW-Konzerns wird 70 Jahre alt
Prof. Dr. h.c. Ferdinand K. Piëch wird am 17. April 70 Jahre alt, doch seine Liebe zum Automobil lässt ihn nicht an Ruhe denken. Der gebürtige Wiener und Enkel des weltberühmten Konstrukteurs Ferdinand Porsche ist nach seiner aktiven Zeit als Automobilmanager bei Porsche, Audi und VW heute noch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Volkswagen AG und Mitglied des Aufsichtsrates der Porsche AG. „Was einen wie ihn auszeichnet ist Kompetenz, Genius, Hingabe, Hartnäckigkeit und Leidenschaft“, hieß es in der Laudatio, als er 2002 in die Hall of Fame des „Manager-Magazins“ aufgenommen wurde.
Das Auto ist ihm quasi in die Wiege gelegt worden. Ferdinand Piëch, der 1937 als Sohn von Louise Porsche, der Tochter von Ferdinand Porsche, und dem Rechtsanwalt Dr. Anton Piëch in Wien geboren wurde, ist in der Porsche-Piëch-Familie aufgewachsen. Ihr gehören nicht nur der Stuttgarter Sportwagenhersteller Porsche sowie die Porsche Holding, eine Automobilhandelsgesellschaft mit Sitz in Salzburg; sie hält seit kurzem über die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG auch nahezu ein Drittel der Anteile am Volkswagen-Konzern.
Schon als Kind besuchte Ferdinand Piëch in den Ferien mehrmals das heutige Wolfsburg. Denn dort arbeiteten Vater und Großvater gemeinsam als Geschäftsführer des Volkswagen-Werkes. Ferdinand Porsche, der als Erfinder des legendären „VW-Käfers“ und als Schöpfer der Auto-Union-Rennwagen längst in die Automobilgeschichte eingegangen ist, spielte für den Enkel von Anfang an eine Vorbildrolle. So prägte das Auto schon früh das Leben von Ferdinand Piëch.
Heute gilt der Österreicher für viele als der „Automobilmanager des Jahrhunderts“. Piëchs Erfolg gründet sich gleich auf zwei Säulen: Zum einen auf seine Managerleistung als Audi-Chef in den Jahren zwischen 1988 und 1993 sowie als VW-Chef zwischen 1993 und 2002. Zum anderen aber auch auf seine technische Begabung, die sein Ansehen in der Welt als herausragender Automobilentwickler und Visionär manifestierte. So verbinden sich mit seinem Namen wegweisende Innovationen: Von den Porsche 917-Rennwagen über den Audi-quattro-Antrieb bis hin zum Audi A8 mit seiner Aluminium-Karosserie in Leichtbauweise, vom 1001 PS starken Bugatti Veyron bis zum Einliter-Auto von Volkswagen, dem bis heute unerreichten „Sparkönig“.
Das Tüfteln, die Technik voranzutreiben – das war und ist die große Leidenschaft von Ferdinand Piëch. Und so fühlte er sich auch nach der Internatszeit im schweizerischen Zuoz und dem Abschluss des Studiums an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich als Diplom-Ingenieur an seiner ersten Arbeitsstelle bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG in Stuttgart besonders wohl. Denn in den Verantwortungsbereich des jungen Ingenieurs, der vom Leiter des Versuchs (1966) und Chef der Entwicklung (1968) bis zum Technischen Geschäftsführer (1971) aufstieg, fiel auch der Motorsport. Und nachdem Piëch dem luftgekühlten Sechszylindermotor des Porsche 911 das Laufen beigebracht hatte, widmete er den Großteil seiner Aufmerksamkeit der Konstruktion von Rennwagen. Dabei ging er nicht selten bis an die Grenzen des technisch wie finanziell Machbaren – mit dem Ergebnis: Porsche zählt seit dieser Zeit zu einer festen Größe im Motorsport.
All das, was Ferdinand Piëch in seiner Managerkarriere auszeichnete, lässt sich schon an seiner ersten Arbeitsstelle bei Porsche festmachen. Erstens setzte er sich immer hohe Ziele und blieb nie auf halbem Wege stehen. Zweitens stand bei ihm stets das Auto im Mittelpunkt. Und drittens kam es ihm bei allen Neuentwicklungen auch stets auf das kleinste Detail an. Sein Ziel bei Porsche war schnell klar: Er wollte die leichtesten Rennautos der Welt entwickeln. Das gelang ihm zunächst bei den von der Konkurrenz bestaunten Bergrennwagen, die – dank technischer Finessen wie Beryllium-Bremsscheiben und Titan-Bauteilen – bis zu 430 Kilo leicht waren und den Bergrennsport über Jahre prägten. Es gelang ihm aber auch beim Porsche 917, der mit einem 560 PS-Zwölfzylindermotor im Jahr 1969 vorgestellt wurde und einer der erfolgreichsten Rennwagen der Welt wurde. Ein kleines Detail beim 917: Piëch ließ den Schaltknopf aus Balsa-Holz drechseln – aus Gewichtsgründen.
1970 und 1971 gewann Porsche überlegen die Markenweltmeisterschaft und erzielte mit dem 917 zweimal in Folge einen Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans. Und der Rekord über die 24 Stunden von Le Mans hält noch immer der Porsche 917 mit einer Durch-schnittsgeschwindigkeit von 222 km/h über die volle Distanz. Als zum Ende der Saison 1971 die 5-Liter-Sportwagenklasse eingestellt wurde, schickte Piëch nach Versuchen mit einem 16-Zylinder-Saugmotor 1972 den turbo-aufgeladenen 917/10 in der nordamerikanischen CanAm-Rennserie an den Start. Mit einer Leistung von 1000 PS gewann der Porsche 917/10 auf Anhieb die Meisterschaften in der CanAm- und Interserie. Im Jahr darauf wiederholte der bis zu 1100 PS starke Porsche 917/30 diesen Erfolg, so dass einzig eine Reglementänderung die Siegesserie von Porsche stoppen konnte.
Neues zu schaffen, das machte Ferdinand Piëch Freude. Als 1972 nach einem einstimmigen Beschluss der Familien Piëch und Porsche alle Familienmitglieder aus dem operativen Geschäft bei Porsche ausstiegen, wechselte Ferdinand Piëch am 1. August 1972 zu Audi. Zunächst war er Hauptabteilungsleiter für Sonderaufgaben, 1975 wurde er Entwicklungsvorstand und 1988 schließlich Vorstandsvorsitzender. In diesen Jahren in Ingolstadt gelang es ihm mit seinem Team, das Image von Audi komplett zu wandeln. Audi-Modelle, einst als hausbacken verrufen, waren plötzlich als hochwertige, innovative Fahrzeuge der Premium-Klasse gefragt. „Vorsprung durch Technik“, lautete Piëchs Devise – und damit wurde die Marke mit den vier Ringen zum Premiumhersteller und zum ernst zu nehmenden Wettbewerber für BMW und Mercedes-Benz.
Und Piëch sorgte dafür, dass der Slogan „Vorsprung durch Technik“ im Hause Audi auch gelebt wurde. Schließlich war er nicht nur der Mann der Zahlen, er verstand es auch, mit seiner technischen Erfahrung Neuerungen voran zu treiben. Der Allrad-Antrieb „quattro“ wurde entwickelt, die erste Vollaluminium-Karosserie bei einem Serienfahrzeug, dem
Audi A8, eingeführt, es gab den Audi 100 „Stromlinie“ (Cw-Wert 0.29), den Fünfzylindermotor, die vollverzinkte Karosserie, den Diesel-Direkteinspritzer TDI sowie diverse, höchst attraktive Studien, wie beispielsweise beim Audi quattro Spyder.
Auch die Liebe zum Motorsport pflegte Ferdinand Piëch bei Audi weiter – und unterstützte damit perfekt den Image-Wandel der Marke. Der Einstieg mit quattro-Modellen in den Rallyesport 1981 brachte vier Weltmeisterschaftstitel und spektakuläre Siege – und Namen von Rennfahrern, die für Audi stehen: Hannu Mikkola, Stig Blomqvist oder Michelle Mouton und Walter Röhrl. Später setzte sich die Erfolgsserie im Rennsport fort (DTM-Titel 1990/1991) – und sie ist bis heute eng mit dem Namen Ferdinand Piëch verbunden.
„Er ist der Königsmacher der deutschen Autobauer“, schreibt das „Manager-Magazin“ über Ferdinand Piëch, der als Manager vermutlich seine größte Feuertaufe vom 1. Januar 1993 an selber zu bewältigen hatte: als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. Als Piëch den VW-Chefsessel übernimmt, ist der Konzern in schlechter Verfassung: zu hohe Kosten, geringer Absatz, Überkapazitäten. Neun Jahre später legt er den Aktionären eine einmalige Bilanz vor: Umsatz verdoppelt, Gewinn maximiert. Die Zahlen aus dem Jahr 2001:
5,11 Millionen Autos gebaut, 173,2 Milliarden Mark Umsatz, 8,62 Milliarden Mark Ergebnis vor Steuern und fünf Prozent Umsatzrendite. Ferdinand Piëch hatte aus dem angeschlagenen Konzern einen Global Player gemacht – und zudem in Deutschland neue Akzente gesetzt: Wolfsburg wurde als „Autostadt“ zum Publikumsmagneten, die Gläserne Manufaktur in Dresden lockt Besucher aus der ganzen Welt, der VfL Wolfsburg stieg mit VW-Unterstützung in die Fußball-Bundesliga auf. Und Stadt und Verein freuen sich über ein außergewöhnliches Stadion: die Volkswagen-Arena.
Die Erfolgsgeschichte von VW gründete sich in erster Linie wieder auf das technische Know-how von Ferdinand Piëch. Als er nach Wolfsburg kam, gab es 28 Volkswagen-Modelle. Neun Jahre später waren es 65. Dieses Modellfeuerwerk galt geradezu als Synonym der Piëch-Ära. Volkswagen stieg mit Phaeton und Touareg in die Oberklasse ein, weckte mit dem New Beetle neue Emotionen aus der legendären Käfer-Vergangenheit und ließ Wolfsburgs Ingenieure durch 12-Zylinder- und 16-Zylindermotoren höchste technische Kompetenz unter Beweis stellen. Dazu wurden dem Konzern mit Bentley, Bugatti und Lamborghini Traditions- Marken hinzugefügt sowie neue Beteiligungsnetze für die Zukunft einer Lastwagensparte auf den Weg gebracht (Scania/MAN).
Es war ein gewaltiges Leistungsspektrum, das Ferdinand Piëch in Wolfsburg präsentierte. Für zwei Meilensteine der Automobil-Entwicklung wurde er besonders gefeiert. Zum einen für das Dreiliter-Auto mit seinen 2,9 Litern Normalverbrauch auf 100 Kilometern. Und zum anderen für das Einliter-Auto, mit dem er am letzten Tag seiner Vorstandskarriere auf einer spektakulären Alleinfahrt von Wolfsburg nach Hamburg zur Hauptversammlung des Unternehmens fuhr. Für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ war das sogar ein Leitartikel wert. Überschrift: „Ein unheimlich starker Abgang.“
Der Leitartikel kam 2002 aber etwas zu früh. Auch heute noch hat das Wort des bald 70-Jährigen in der Autoszene großes Gewicht – nicht nur als Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG und als Aufsichtsratsmitglied der Porsche AG.